Was ist Autogenes Training?

Autogenes Training – was ist das?

Kann man sich selbst hypnotisieren? Dieser Frage ging der Berliner Arzt Johannes Heinrich Schultz in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts nach. Seine Erkenntnisse publizierte er im Jahr 1932 und nannte seine neu entwickelte Entspannungstechnik Autogenes Training. Hier bekommst Du einen Überblick über Autogenes Training und liest, wie Du es selbst anwenden kannst.

Autogenes Training: Formeln führen zur Entspannung

Autogenes Training ist eine Form der Selbsthypnose. Im Zentrum der Methode stehen formelhafte Vorsätze, die Du Dir innerlich selbst vorsagst. Im Unterschied zur Progressiven Muskelentspannung oder zum Qigong führt Autogenes Training ausschließlich über den gedanklichen Fokus zur Entspannungsreaktion.
Wenn Du eine Session Autogenes Training ausprobieren möchtest, sorge zuerst für eine angenehme Atmosphäre. Achte darauf, dass Du für 25 bis 35 Minuten nicht gestört wirst. Vielleicht möchtest Du entspannende Musik auflegen oder ein Duftöl benutzen, denn beides kann die Entspannungswirkung verstärken.
Nimm dann eine bequeme Körperhaltung ein. Welche Haltung genau Du einnimmst, ist weniger wichtig, weil Autogenes Training als rein mentale Entspannungstechnik auf dem Prinzip der Selbsthypnose beruht. Hauptsache, Du kannst über 25 bis 35 Minuten hinweg bequem in Deiner gewählten Haltung bleiben. Wenn Autogenes Training für Dich noch ganz neu ist, versuche, jeweils einmal täglich im Liegen und im Sitzen zu trainieren.
Autogenes Training wird in Grundstufe, Mittelstufe und Oberstufe unterteilt. Wir geben Dir eine Orientierung über die einzelnen Stufen.

Die Grundstufe

Deine Entspannungssession beginnt mit den Übungen der Grundstufe, die sich dem vegetativen Nervensystem widmen.

1. Erleben der Ruhe

Formelhafter Vorsatz: “Ich bin ganz ruhig.”
Anmerkung: Achte darauf, den Ruhezustand nicht krampfhaft herbeiführen zu wollen, sondern warte darauf, bis er sich von selbst einstellt.

2. Erleben der Schwere

Formelhafter Vorsatz: “Mein rechter Arm ist schwer.”
Anmerkung: Der Vorsatz wird nacheinander für rechten Arm, linken Arm, rechtes Bein und linkes Bein durchgeführt. Linkshänder können auch mit dem linken Arm beginnen. Die Muskulatur erschlafft und Blockaden lösen sich.

3. Erleben der Wärme

Formelhafter Vorsatz: “Mein rechter Arm ist warm.”
Anmerkung: Auch dieser Vorsatz wird für alle Gliedmaßen durchgeführt (siehe oben). Die Blutgefäße erweitern sich und der Körper wird effektiv durchblutet. Eine wohlige Wärme durchströmt Dich.
Wenn Du wenig Zeit hast, kannst Du hier bereits aufhören, denn die ersten drei Übungen bilden die Kurzform des autogenen Trainings. Wichtig: Schließe aber unbedingt noch die Rücknahme an (siehe unten). Ansonsten besteht die Gefahr einer zu niedrigen Kreislaufaktivität.
Frau_Freiheit
Autogenes Training hilft Dir, ein befreiteres Leben zu führen. Sogar dann, wenn Du es zu Beginn bei den ersten drei Grundübungen belässt.
Ab der vierten Übung widmet sich Autogenes Training dann den Organen. So geht es weiter:

4. Atem

Formelhafter Vorsatz: “Mein Atem ist ganz ruhig.”
Anmerkung: Du atmest tiefer und gelangst von der Brustatmung in die Bauchatmung.

5. Sonnengeflecht

Formelhafter Vorsatz: “Mein Sonnengeflecht ist strömend warm.”
Anmerkung: Als Sonnengeflecht wird eine Ansammlung feiner Nervenfäden unterhalb des Zwerchfells bezeichnet. Diese Nervenfäden beeinflussen die Bauchorgane unmittelbar, weshalb sich bei dieser Übung Magen und Darm entspannen und die Produktion der Magensäure reguliert wird.

6. Herz

Formelhafter Vorsatz: “Mein Herz schlägt ruhig und regelmäßig.”
Anmerkung: Der Blutdruck wird reguliert, der Puls normalisiert sich.
Auch an dieser Stelle könntest Du die Session mit der Rücknahme beenden, denn die folgende Formel wirkt leicht aufputschend. Möglicherweise möchtest Du das aber in manchen Situationen nicht, zum Beispiel wenn Du Autogenes Training zum Einschlafen praktizierst. Lass in diesem Fall die folgende Formel und auch die Rücknahme weg. Stattdessen kannst Du gleich zur Mittelstufe übergehen.

7. Stirn

Formelhafter Vorsatz: “Meine Stirn ist angenehm kühl.”
Anmerkung: Deine Gesichtsmuskeln entspannen sich. Sollten Kopfschmerzen auftreten, versuche es mit einer alternativen Formulierung, zum Beispiel “Mein Kopf ist frei und klar.”
Klassischerweise endet an dieser Stelle die Grundstufe des Autogenen Trainings mit der Rücknahme:

8. Rücknahme

  1. Balle die Fäuste.
  2. Trommle Dir mit den Fäusten fest auf die Schultern.
  3. Lass die Arme locker zurück in die Ausgangslage fallen.
  4. Wiederhole die Schritte 1 bis 3 drei- bis fünfmal.
  5. Lass beim letzten Mal die Fäuste oben und verharre kurz in dieser Position.
  6. Atme ruckartig und tief ein, reiße gleichzeitig Augen und Fäuste auf und stoße einen kurzen und explosiven Laut aus.
  7. Wenn Du dich noch nicht frisch genug fühlst, wiederhole die gesamte Rücknahme.
Autogenes Training steigert Deine Lebensqualität erheblich, egal, ob Du nur die Kurzform oder die gesamte Grundstufe durchführst. Wichtig ist zu Beginn, dass Du regelmäßig trainierst – idealerweise drei Mal täglich, in unterschiedlichen Körperhaltungen (siehe oben). Wenn Du ein Protokoll führst, steigerst Du die Erfolgswahrscheinlichkeit des Trainings.
Mit der Grundstufe hast Du die Möglichkeit kennengelernt, Dich auf körperlicher Ebene vollständig zu entspannen. Alleine das ist ein großer Schritt in ein entspannteres, gelösteres Leben. Autogenes Training kann Dir aber sogar darüberhinaus noch weiterhelfen. Durch die Anwendung der Mittelstufe kann es Dir sogar gelingen, seelische Blockaden aufzulösen, schlechte Gewohnheiten abzulegen oder gute Gewohnheiten aufzubauen.
Innerhalb einer Session schließt Du die formelhaften Vorsätze an die letzte Übung aus der Grundstufe an. Das hat den Vorteil, dass Du dann körperlich bereits tief entspannt bist, wodurch die Vorsätze auf fruchtbaren Boden fallen. Wenn Du beispielsweise ständig unter kalten Füßen leidest und dem endlich Abhilfe schaffen möchtest, könnte das im konkreten Fall so aussehen:
Du führst die Übungen der Grundstufe durch. Du endest mit Übung Nummer 6 (Herzübung), denn Übung Nummer 7 (“Meine Stirn ist angenehm kühl.”) könnte eine abkühlende Wirkung haben. Das möchtest Du vermeiden. Stattdessen wiederholst Du nun, im körperlich völlig entspannten Zustand, immer wieder innerlich den formelhaften Vorsatz:
 
“Meine Füße bleiben angenehm warm.”
 
Du beendest die Session mit der Rücknahme.
Kalte_Füße
Ein verbreitetes Problem: Kalte Füße. Autogenes Training hilft Dir dabei.
Du siehst: Autogenes Training lässt sich auf Deine individuellen Bedürfnisse zuschneiden. Natürlich sollten die formelhaften Vorsätze der Mittelstufe nicht beliebig sein, sondern eine anerkannte Wirkung vorweisen können. Beispiele dafür findest Du in unseren Artikeln, wo wir Dir zeigen, wie Du Autogenes Training zum Einschlafen oder zur Vorbeugung gegen Erkältungen verwenden kannst.

Die Oberstufe

Mit der Oberstufe überschreitet Autogenes Training die Grenze zur Psychoanalyse. Da diese Übungen nur unter Anleitung vorgenommen werden sollten, nennen wir sie hier nur kurz ohne weitere Erklärung:
  1. Eine Farbe auftreten lassen.
  2. Objekte erscheinen lassen.
  3. Abstrakte Gegenstände betrachten.
  4. Gefühlszustände aufrufen.
  5. Andere Menschen sehen.
  6. Das Unbewusste befragen.

So wirkt Autogenes Training

Autogenes Training hat eine weit gefächerte Heilanzeige. Positive Effekte sind unter anderem bei den folgenden Erkrankungen/Problemen belegt:
Durch die Anwendung der Mittelstufe gibt Dir Autogenes Training auch bei den folgenden Einschränkungen Hilfestellung:
  • Angstzustände
  • Prüfungsangst
  • Panikattacken
  • Auftrittsangst
  • Süchte (Rauchen, Süßigkeiten…) überwinden

Autogenes Training: Ein bisschen Hintergrundwissen

Was ist Autogenes Training?
Sich selbst hypnotisieren? Das funktioniert tatsächlich, wie der Berliner Psychiater Johannes Heinrich Schultz in den 1920er und 1930er Jahren herausfand.

Entwickelt wurde Autogenes Training von dem deutschen Arzt Johannes H. Schultz – interessanterweise ungefähr im gleichen Zeitraum, in dem auch Jacobson seine Progressive Muskelentspannung entwickelte.

Schultz hatte sich lange Zeit mit der Hypnose beschäftigt und stellte fest, dass Patienten den Zustand der tiefen, tranceartigen Entspannung auch selbst mit entsprechender Übung erreichen können. Autogenes Training ist in Deutschland und Österreich eine gesetzlich anerkannte Psychotherapiemethode.

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